Noch sind wir mittendrin. Aber was, wenn die Pandemie vorüber ist? Wird Corona unsere Art zu wohnen verändern? Wird Homeoffice zum Standard? Verschwinden in der Folge Büros, Läden und Clubs aus dem Zentrum? Bekommt der öffentliche Raum eine andere Bedeutung? Soll er noch mehr zur Zone der Begegnung werden?
Das Berner Kornhausforum plant für den kommenden Herbst zum Thema «Shared Spaces in Change» eine Ausstellung und ruft Fachleute und Laien dazu auf, sich zu diesen Fragen zu äussern. Auch der «Bund» ist an Ihren Ideen interessiert.
Hier geht es zum Open Call des Kornhausforums
Lesen Sie hier, warum Nicolas Kerksieck, der neue Leiter des Kornhausforums, die Bevölkerung in seine Überlegungen miteinbeziehen will.
Wir wollen von Ihnen wissen:
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Ich wohne nicht im Grossraum Bern, aber die Entwicklung sollte so oder so etwas grossräumiger (über die Agglos hinaus) betrachtet werden. Ein Beispiel: Dank der schnellen Verbindung durch den Lötschberg können in Bern arbeitende Walliser*innen zu ihren Wurzeln zurückkehren. Die grossräumige Verbesserung der Zugverbindungen in alle Richtungen sowie die Knappheit an bezahlbaren Wohnungen im urbanen Raum befruchtet die Entwicklung ‚Back to the roots‘.
Corona wirkt wie ein Brandbeschleuniger für eine Entwicklung, die so oder so an Bedeutung gewinnt: Verwaltungen aller Art im urbanen Raum sind prädestiniert für das Homeoffice. Schon nur wenige Homeoffice-Tage pro Woche nehmen dem Arbeitsweg den Schrecken und können Arbeitnehmer*innen dazu bewegen, auf das Land zu ziehen oder dorthin zurückzukehren, wo sie aufgewachsen sind.
„Es droht eine verschärfte soziale Spaltung: Wer es sich leisten kann, «verdampft» ins Grüne – die Ärmeren haben in der schwitzenden Stadt zu verbleiben“. Ich denke, man sollte in dieser Hinsicht nicht zu schwarz sehen: Die Bäume wachsen auf dem Land nicht in den Himmel. Die Raumplanung nimmt den ländlichen Raum an die kurze Leine. Das Bauland wird dort ein knappes Gut, das Bauen im Grünen wird bewusst klein gehalten. So wollte es damals die (zurückgezogene) Landschaftsschutzinitiative und so will es nun das revidierte Raumplanungsgesetz (Gegenvorschlag).
Es gibt auch viele Menschen im urbanen Raum, die bewusst dort leben wollen und sich dort wohl fühlen (Kulturstadt). Im Grunde müsste es im Interesse dieser Menschen sein, wenn angesprochene Probleme im urbanen Raum etwas entschärft werden. Den befürchteten grossen Exodus wird es kaum geben.
Ich habe im übrigen in Bern studiert und während vieler Jahre an der Genfergasse meinen beruflichen Stützpunkt für meine Tätigkeit in der Fläche gehabt. Ich fühle mich auch ‚mitschuldig‘, dass die Wallliser*innen über die Einstunden-Taktknoten Visp-Bern verfügen können und die S-Bahn im Grossraum Bern so vorzüglich funktioniert. Smile.
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Am Leben in der Stadt habe ich während der Pandemie sehr geschätzt, dass die Wege kurz sind und mit dem Velo oder zu Fuss zurückgelegt werden können. Ein gut ausgebautes Velo- und Fussnetz, eine umsichtig gestaltete Umgebung z.B. mit Bäumen entlang von Fusswegen oder mit Kunst im öffentlichen Raum haben deshalb für mich noch höhere Priorität erhalten. Oft habe ich anstelle einer Busfahrt den Weg als Spaziergang zurückgelegt und die kleine Auszeit mit Bewegung im Freien sehr genossen und viele neue Details in der Stadt entdeckt. Es entstanden auch viele spontane Begegnungen.
Mindestens genauso wichtig wie ein einladender Aussenraum sind die sozialen Netze. In meinem Umfeld wurde wieder bewusster überlegt, ob wohl alle ‘versorgt’ sind, es wurden Einkäufe übernommen oder es wurde öfters als sonst zum Telefon gegriffen. Nicht alle haben aber das Glück, gut verwurzelt und eingebunden zu sein. Hier hat die Stadt eine grosse Verantwortung. Quartierarbeit, Jugendarbeit, Sozialarbeit sind hochzuhalten. Es braucht genügend Ressourcen, damit Initiativen gestartet werden können. Wo in professionelle Gemeinwesenarbeit investiert wird, entsteht auch sofort ein Netz an Freiwilligen, die sich beteiligen, Ideen einbringen, Neues kreieren. Soziale, kulturelle, ökologische Projekte, wo Gross und Klein ‘andocken’ können, sind entscheidend für eine attraktive, lebenswerte Stadt. Hier kann Bern noch einen Zacken zulegen. Das gilt gerade auch für die Phase nach der Pandemie, wenn nach dem ‘Dornröschenschlaf’ das soziale Leben wieder erwachen soll.
Abgesehen von attraktiven Wohnquartieren macht auch die Nähe zur Altstadt, zu Kultur- und Bildungsstätten der Reiz des Wohnens in der Stadt aus. Hier wünsche ich mir mehr Vielfalt und Individualität bei den Läden und im Gastrobereich. Ein paar Kleiderladenketten weniger und tiefere Mieten könnten die Landschaft verändern. Viel Raum für Begegnung, Musse, Strassenkunst, sich Eindecken mit frischen Produkten und kreativer Mode. Wo das Leben pulsiert, da halten sich die Menschen – von Stadt und Land – gerne auf. Das wird sich auch wirtschaftlich positiv auswirken.
Ursula Marti, Länggassbewohnerin, Grossrätin
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